Nach dem Unterricht von und mit den anderen lernen

Kinder aus zwölf Nationen in der Verlängerten Mittagsbetreueung der KJF in Füssen
Karin Schüßler war zehn Jahre lang für die Verlängerte Mittagsbetreuung für Füssener Grundschüler im Einsatz. Foto: KJF/K. Schüßler
29. Juli 2019

Sie heißen Alla, Michael, Rahaf, Nour, Neva, Elisabeth oder Raphael. Bei der Verlängerten Mittagsbetreuung (VMB), welche die KJF Augsburg für Füssener Grundschüler anbietet, herrscht internationales Flair. „Rund 30 Prozent der Kinder haben Migrationshintergrund. Wir haben hier Kinder aus zwölf Nationen“, erzählt die Koordinatorin Karin Schüßler. Sie hat vor zehn Jahren die VMB mit aufgebaut und deren Entwicklung miterlebt. Die pädagogische Fachkraft ist für viele der 48 Kinder, die hier nach Unterrichtsschluss bis 16.30 Uhr von neun Erwachsenen betreut werden, eine Art Ersatzmutter geworden.

Vor allem die Kinder der Geflüchteten profitieren enorm davon, dass sie hier nach Schulschluss bleiben dürfen. Egal ob bei der Hausaufgabenbetreuung, beim gemeinsamen Fußballspiel, beim Mathe-Battle, beim Basteln, gemeinsamen Kochen oder einfach beim  „Chillen“:  Kinder mit Migrationshintergrund kommen in Kontakt mit gleichaltrigen Buben und Mädchen aus dem Allgäu. Wie es draußen kaum möglich wäre. Und auch die Allgäuer lernen im Spiel Sitten und Gebräuche der anderen kennen. „Wir leisten hier auch ein Stück Integrationsarbeit“, betont Karin Schüßler. Sie kam 2009 aus Rheine in Nordrhein-Westfalen nach Füssen und hat die Verlängerte Mittagsbetreuung mit aufgebaut. Schon damals sei der Bedarf enorm gewesen, da in Füssen viele Eltern in der Gastronomie, Hotellerie oder im Fremdenverkehr arbeiten. Viele von ihnen kämen aus dem Ausland. Zudem gebe es immer mehr alleinerziehende Mütter.  „Wir unterstützen somit nicht nur die Kinder, sondern entlasten auch die Mütter und Familien. Die Kinder wären sonst nach der Schule meist auf sich gestellt, weil keiner zuhause ist“.

Manchmal falle es den Betreuern der 48 Kinder schwer, sprachliche Hürden zu überwinden. „Doch irgendwie wuppt es immer“, lacht die 60-jährige Pädagogin, die von sich behauptet „den schönsten Beruf der Welt zu haben“. Besonders wenn sie den schwächeren Kindern helfen kann, macht es sie glücklich: „Wir helfen bei den Hausaufgaben, geben aber keine Nachhilfestunden. Aber uns fällt es natürlich eher als den Eltern auf, wenn ein Kind im Vergleich zu den anderen abfällt. Wir stehen im engen Kontakt zu den Lehrern.“

Ein besonderes Highlight für die Kinder sei die gemeinsame Yogastunde jeden Montag, die von der qualifizierten Yoga-Lehrerin Nele gegeben wird. „So lernen sie schon von Kindesbeinen an, wie man sich entspannen kann. Die Kinder lieben das.“ Auch der ehrenamtliche Lese-Pate Thomas, der mit den Kindern spielerisch lesen und rechnen übt, oder der pensionierte Sportlehrer Uwe, der mit den Buben und Mädchen nach der Hausaufgabenzeit Fußball spielt, sind fester Bestandteil der VMB-Familie. Auch in den Schulferien werden in den VMB-Räumen an neun Wochen im Jahr bis zu 24 Kinder der Grundschule Füssen vom VMB-Team betreut. Täglich von 7.30 bis 16.30 Uhr. Die Kinder freuen sich immer auf unterschiedliche Aktionen, Ausflüge und Projekte.

Leider würden viele berufstätige Mütter, die ihre Kinder in die VMB geben, immer noch gerne als Rabenmütter stigmatisiert, bedauert Karin Schüßler und widerspricht: „Angesichts der hohen Mietpreise und den geringen Löhne in vielen Branchen müssen viele Frauen arbeiten gehen. Diese Frauen müssen wir unterstützen!“

 „Die Kinder kommen wirklich gerne“, bestätigen auch Stellvertreterin Monika Praun und Betreuerin Michaela Förg. Nicht nur, weil ihnen bei der Hausaufgabe geholfen wird. Sondern auch, weil sie hier mit ihren Klassenkameraden ausgiebig spielen können. „Mal ganz ehrlich: Wer hat heute schon so ein großes Kinderzimmer, dass er mit seinen Freunden und Freundinnen so toll spielen kann wie hier?“, fragt Karin Schüßler. Zum Ende dieses Schuljahres verlässt die Erziehungsberaterin schweren Herzens „ihre“ Kinder in Füssen. Ihre Nachfolgerin wird Monika Praun. (slm)