Warum der Klaps auf den Po nicht ok ist

Zum Tag der gewaltfreien Erziehung erklärt die KJF Erziehungsexpertin, wie Eltern sich freundlich, ruhig und ohne Gewalt durchsetzen
Wie der Familienalltag möglichst gut gelingt, dazu gibt die KJF Erziehungsberaterin Tipps. Foto: KJF/Carolin Jacklin
30. April 2018

„Kinder, ich habe Eis mitgebracht!“ Wenn Papa seinen Nachwuchs so begrüßt, werden sicher alle sofort kommen, egal wo und mit was sie gerade beschäftigt waren. Ruft der Papa allerdings: „Kinder, ihr müsst eure Fahrräder noch in die Garage räumen, es wird gleich dunkel“, wird wohl keiner freudestrahlend ankommen und sofort erledigen, worum er gebeten wurde. Kinder und Eltern haben unterschiedliche Prioritäten, und die Kinder hören nur das, was für sie wichtig ist. Sie können im Spielen derart versinken, dass sie Rufe der Eltern zum Thema Aufräumen oder Mithelfen regelrecht aus ihrer Wahrnehmung ausfiltern.

Dieses natürliche und angeborene Verhalten der Kinder fordert allerdings die Geduld, den Ordnungssinn und das Kontrollverhalten der Eltern heraus. Und leider macht es auch die Kommunikation und das Zusammenleben manchmal schwierig. Gerade in solchen Situationen kommt es leicht zu Streitereien, die nicht selten mit Gebrüll auf beiden Seiten enden. Und wenn Eltern sich durchs Brüllen in ihre Wut hineinsteigern, kann ihnen auch schnell einmal die Hand ausrutschen. Der Schritt von der verbalen Gewalt zur körperlichen Gewalt ist klein.

Aber: „Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung.“ Seit dem Jahr 2000 ist dies im Bürgerlichen Gesetzbuch BGB (§ 1631, Abs. 2) verankert. Der Klaps auf den Po, die Ohrfeige, das Ziehen an Ohren oder Haaren – all das ist verboten. Umfragen und Studien ergeben allerdings immer wieder, dass zwischen einem Drittel und der Hälfte aller Eltern ihren Kindern entweder einen Klaps auf den Hintern oder Ohrfeigen geben. Das Gesetz geht ganz bewusst über die rein körperliche Gewalt hinaus: „Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig“, heißt es im BGB. Dazu gehört es laut Renate Rodler, Mitarbeiterin der KJF Erziehungs-, Jugend- und Familienberatung, auch zum Beispiel Vorwürfe oder Schuldzuweisungen zu machen sowie Bedingungen zu stellen – „nur wenn du so bist, wie ich will, bin ich nett zu dir“. Auch Beschimpfungen und Etikettierungen wie zum Beispiel „Lügner“, entwerten das Kind als Mensch und gehören zur Kategorie seelische Verletzungen. „Wichtig ist auch der Tonfall, mit dem Eltern mit ihren Kindern reden“, so Renate Rodler. „Ironie zum Beispiel verstehen Kinder erst mit etwa zehn Jahren.“

Doch wie kann ein anderer Weg gelingen?

Zunächst einmal hilft es, die Kinder zu verstehen: Neben den körperlichen Grundbedürfnissen haben Kinder, wie Erwachsene übrigens auch, existenziell soziale Grundbedürfnisse. Dazu gehört, dass sie sich zugehörig fühlen, sich selbst als fähig erleben und beachtet werden müssen. „Kinder wollen kooperieren und suchen nach Lösungen. Kinder nerven oder provozieren uns nicht absichtlich“, betont die Erziehungsberaterin. „Je weniger Kinder ihre Selbstwirksamkeit im positiven Sinn in ihrem Alltag erleben, desto größer ist die Gefahr, dass sie es im negativen Sinn versuchen, zum Beispiel indem sie Eltern oder andere Kinder provozieren, um ihre Wirkung zu spüren.“

Viele der klassischen Konfliktsituationen im Familienalltag lassen sich umgehen, wenn Eltern von Anfang an anders mit ihrem Nachwuchs kommunizieren. Tipps der Erziehungsberaterin: Gehen Sie zu Ihrem Kind hin, wenn Sie etwas Konkretes von ihm möchten. Stellen Sie Blickkontakt und eventuell auch körperlichen Kontakt her. Wichtig ist, dass Eltern ihrem Kind einen freundlichen, offenen Blick schenken, denn ein drohender Blick verängstigt oder macht die Kinder aggressiv. Wichtig ist auch, dass Eltern mit kurzen, einfachen Worten beschreiben, was sie vom Kind möchten, dabei möglichst in Ich-Form sprechen: „Ich möchte, dass du jetzt deine Schuhe anziehst, damit wir los können.“

Den eigenen Kindern ein Vorbild sein

"Doch gerade weil viele Eltern, als sie selbst Kinder waren, keine andere Durchsetzungskraft als mit verbaler, psychischer oder gar körperlicher Gewalt erlebt haben, steht ihnen diese gewaltfreie Durchsetzung auch in der Erziehung ihrer Kinder nicht zur Verfügung“, erklärt die Erziehungsberaterin. Den häufig zu hörenden Kommentar „Das hat uns ja auch nicht geschadet“ sieht die Erziehungsberaterin übrigens kritisch. „Es ist eine natürliche Schutzfunktion der Psyche, den Schmerz von damals abzukapseln. Man erinnert sich einfach nicht mehr daran, was die Gewalt wirklich mit einem gemacht hat.“ Sich eine freundliche, ruhige, gewaltfreie Art der Durchsetzung anzueignen und damit auch den eigenen Kindern ein Vorbild zu sein, lohnt sich also. „Das ist zunächst einmal zeitaufwändig, aber hinterher gewinnt man viel Zeit, es ist also eine gute Investition“, so Renate Rodler.


Außerdem hilft es, sich den eigenen Anteil am Konflikt anzuschauen. „Denn unser Gegenüber, sei es der Partner oder das eigene Kind, können wir in seiner Persönlichkeit nicht ändern. Wir können nur uns selbst ändern“, so die Erziehungsberaterin. Da es meist schwierig ist, die eigenen Muster zu erkennen, die sich im Verhalten und in der Erziehung eingeschlichen haben, und noch schwerer dieses Verhalten zu verändern, ist es hilfreich, Situationen, die in der eigenen Familie häufig zu Streitereien führen und die Eltern wütend machen, mit einer außenstehenden Person zu besprechen.

Der Tipp der Erziehungsberaterin: Das hilft in akuten Stresssituationen gegen die Wut

Erst mal durchatmen und bis zehn zählen! Was so banal klingt, hat konkrete körperliche Auswirkungen: Die Hirnforschung hat inzwischen bewiesen, dass Botenstoffe erst wieder abgebaut werden müssen, bis die für den Menschen so typische menschliche Fähigkeit mit Vernunft auf Stress zu reagieren wieder funktioniert. „Wenn wir sofort reagieren, reagieren wir eskalierend, denn das ist die reflexartige Reaktion“, erklärt Erziehungsberaterin Renate Rodler. „Die kurze Pause ist wichtig, um die Vernunft wieder mitarbeiten zu lassen. Die Gefühle lassen sich dadurch zwar nicht stoppen, aber die Handlung.“ Nach der kurzen Pause fällt es dann wieder leichter zu analysieren: Was ist jetzt wirklich wichtig? Geht es um Leben und Tod? Kann ich einfach aus der Situation rausgehen und damit dem Machtkampf entgehen? Oder kann ich auch mal nachgeben, und meinem Kind zum Beispiel heute beim Anziehen helfen, weil es vielleicht eine unruhige Nacht hatte.

 

Hier bekommen Familien Hilfe

Die KJF Erziehungs-, Jugend- und Familienberatung steht genau bei solchen Fragen zur Seite und bietet zum Beispiel auch Erziehungstrainings für Eltern an: alle Standorte der KJF Erziehungs-, Jugend und Familienberatung

 

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